Probleme bei der Inflationsmessung

Die Messung der Inflationsrate beispielhaft an einem gewichteten Preisindex und im Vergleich mit anderen gewichteten Indices wie dem Deutschen Aktienindex.

Inflation - Sparen oder Anlegen?

Ermittlung der Inflationsrate

Begriff der Inflation

Üblicherweise bezeichnet Inflation den Anstieg des durchschnittlichen Preisniveaus. Die Statistiker des Statistischen Bundesamtes messen dieses durchschnittliche Preisniveau mit Hilfe des Verbraucherpreisindexes. In diesen Index gehen die Verbraucherpreise bestimmter Güter und Dienstleistungen eines festgelegten Warenkorbes ein. Jedes Gut und jede Dienstleistung hat in dem Index ein unterschiedlich starkes Gewicht. Die Gewichtung ergibt sich wiederum aus Verbräuchen dieser Waren in der Vergangenheit. Es werden stichprobenhaft die Konsumgewohnheiten von Haushalten in Deutschland über mehrjährige Zeiträume erhoben und anschließend auf die Gesamtbevölkerung hochgerechnet. Die allgemeine Formel zur Ermittlung der Inflationsrate anhand des Verbraucherpreisindex lautet wie folgt:

Formel zur Ermittlung der Preissteigerungsrate
Allgemeine Formel zur Berechnung der Inflationsrate anhand eines Preisindixes

Beispielberechnung eines Preisindexes

Gewichtung eines Preisindexes anhand von Produktkategorien
Einfaches Beispiel für die Gewichtung bei einem Preisindex

Um die Vorgehensweise des Statistischen Bundesamtes zu verdeutlichen, wird auf das folgende Beispiel zurückgegriffen. Der Unterschied zur Berechnung des Verbraucherpreisindex liegt in der Verwendung von nur 4 Produktkategorien. Aus den jährlichen Preissteigerungsraten für die Kategorien „Lebensmittel und Getränke“, „Wohnungen“, „Ärztliche Versorgung“ und „Sonstiges“ lässt sich beispielhaft die gesamte Inflationsrate berechnen: 0,166 ⋅ 2,5 % + 0,399 ⋅ 2,7 % + 0,055 ⋅ 4,1 % + 0,38 ⋅ 1,5 % = 2,3 %.

KategorieRelative Bedeutung (%)Preisänderung jährlich (%)
Lebensmittel und Getränke16,62,5
Wohnungen39,92,7
Ärztliche Versorgung5,54,1
Sonstiges38,01,5
Insgesamt100,02,3

Der Deutsche Aktienindex als Beispiel für einen gewichteten Index

Zur Verdeutlichung der angesprochenen Gewichtung dieses Indexes wird ein ergänzendes Beispiel herangezogen. Der Deutsche Aktienindex (DAX) stellt ebenfalls einen gewichteten Index dar. Für die Berechnung des DAX werden nicht die Kurse alle an der Deutschen Börse gelisteten Unternehmen herangezogen, sondern nur die Aktien der dreißig meistgehandelten und von ihrem Börsenwert her größten Unternehmen. Die Auswahl dieser dreißig Unternehmen ist gleichbedeutend mit der Zusammenstellung des Warenkorbes für die Ermittlung des Verbraucherpreisindexes. Neben der Auswahl der Aktiengesellschaften stellt sich das Problem, dass nicht alle Aktien gleich häufig pro Tag gehandelt werden und jedes Unternehmen an der Börse einen unterschiedlich hohen Marktwert aufweist.

Um die Auswirkungen von Kurssteigerungen und Kursverlusten der Einzelwerte angemessen berücksichtigen zu können, gehen die einzelnen Kursentwicklungen mit unterschiedlichen prozentualen Anteilen in die Berechnung des DAX ein. Das Gewicht jedes einzelnen Aktienkurses in dem Index ergibt sich aus der jeweiligen Streubesitz-Marktkapitalisierung. Die Streubesitz-Marktkapitalisierung jedes DAX-Unternehmens ist das Produkt aus dem aktuellen Aktienkurs und der sich im Streubesitz befindlichen Anzahl an Aktien. Dabei ist die Anzahl der Aktien im Streubesitz nicht gleichbedeutend mit der Gesamtzahl an ausgegebenen Aktien. Jede Aktiengesellschaft kann beispielsweise eigene Aktien zurückkaufen. Diese Teilmenge zählt dann nicht mehr zum Streubesitz. Gleiches gilt für Aktien, die von institutionellen Anlegern bzw. Großaktionären - Aktionäre, die über mehr als 5 % aller ausgegebenen Aktien verfügen - gehalten werden. Diese finden bei der Berechnung der Streubesitz-Marktkapitalisierung ebenfalls keine Berücksichtigung. Zusammen müssen die Gewichte der dreißig im DAX aufgeführten Aktien natürlich 100 % einnehmen.

Parallelen und Unterschiede zwischen dem DAX und dem Verbraucherpreisindex

Verlauf des Deutschen Aktienindex

Gegenüber dem DAX beeinflussen wesentlich mehr Waren und Dienstleistungen die Entwicklung des Verbraucherpreisindexes. Eine Parallele besteht aber in der Veränderung der Zusammensetzung. Jeweils im März, Juni, September und Dezember wird über die im DAX aufgenommenen Aktiengesellschaft entschieden. Der Termin im September stellt dabei den ordentlichen Anpassungstermin dar. Zu den übrigen Terminen sind die Regeln zum Verlassen bzw. Eintritts in den DAX für die Unternehmen geringfügig höher. Auswahlkriterien sind dabei jeweils die Orderbuchumsätze und die Streubesitz-Marktkapitalisierung der jeweiligen Unternehmen. Die Aufnahme in diesen prestigeträchtigen und wichtigsten deutschen Aktienindex bietet jeder Aktiengesellschaft Vorteile. Im Normalfall steigt der Kurs der neu aufgenommenen Aktie, da viele institutionelle Anleger wie beispielsweise große Fondsgesellschaften oder Lebensversicherungen den DAX nachbilden und somit die Aktie verstärkt nachfragen.

Genau wie der DAX, der die nachgefragtesten Aktien berücksichtigen will, soll der Verbraucherpreisindex die von den Verbrauchern am meisten verbrauchten Güter und Dienstleistungen repräsentieren. Der wohl wichtigste Unterschied zwischen dem DAX und dem Verbraucherpreisindex liegt wohl in der Aufdeckung der Ursachen für mögliche Steigerungen bzw. Rückgänge. Allgemein sind Aktien Wertpapiere, die Hoffnungen und Erwartungen von Anlegern repräsentieren. Diese müssen natürlich nicht zwangsläufig eintreten. Es kann vorkommen, dass Unternehmen ausgegebene Gewinnerwartungen streichen. Die Aktionäre reagieren prombt und es kommt zur Kursrückgängen. Andererseits kann es passieren, dass der Vorstand bessere Quartalszahlen präsentiert als von Marktanalysten prognostiziert. In diesem Fall vollzieht die jeweilige Aktie einen Kurssprung.

Kurzfristig lassen sich viele Entwicklungen auch auf plötzlich eintretende politische Ereignisse zurückführen. Spitzt sich die politische Lage in einem Land zu oder nimmt die Gefahr eines Bürgerkriegs oder eines Krieges zwischen mehreren Ländern zu, so gehen die Börsen weltweit wahrscheinlich auf Talfahrt. Besonders wenn erdölexportierende Länder von Konflikten bedroht sind, muss mit Kursrückgängen gerechnet werden. Durch eine Erhöhung der Erdölpreise erhöhen sich die Kosten der meisten produzierenden Unternehmen, so dass diese in Zukunft möglicherweise geringere Gewinne verzeichnen. Im Grunde schwächt jedes Ereignis, das die Welt politischer instabiler macht, die Aktienkurse an den weltweiten Börsen. Werden positive oder negative Nachrichten bezüglich der konjunkturellen Situation publik, beeinflusst das die heimischen und ausländischen Börsen. In den letzten Jahren konnten dabei Wirtschaftsnachrichten aus den Schwellenländern den DAX entweder beflügeln oder nach unten treiben.

Im Gegensatz zum DAX ist die Entwicklung des Verbraucherpreisindex weniger transparent. Der Otto Normalverbraucher kann zwar einen Anstieg des Preisniveaus zur Kenntnis nehmen, aber über die Ursachen dieser Preisveränderung wird leider nichts ausgesagt. Die Zusammensetzung und die Messmethoden werden (bewusst) nicht publik gemacht.

Das Indexzahlproblem im Überblick

Daneben gibt es bei der Erhebung des Indexes weitere typische Probleme. Kommt es bei einzelnen Gütern zu kurzfristig starken Preissteigerungen, tritt häufig das sogenannte Indexzahlproblem auf. Dieses hängt mit der Gewichtung der Güter zusammen und tritt dann auf, wenn die Verbraucher eine vergleichsweise teure Ware oder Dienstleistung durch ein günstigeres Produkt substituieren. Die Gewichtung für jede Ware und jede Diensleistung wird anhand vergangener Durchschnittsverbräuche festgelegt und auf kurze Sicht nicht verändert. Wenn der Konsument dann kurzfristig wesentlich weniger von einem betrachteten Gut konsumiert und auf eine günstigere Alternative umschwenkt, werden die Lebenshaltungskosten als zu hoch eingeschätzt.

Dieser Fall trat beispielsweise während der Ölkrise in den 1970er Jahren auf. Benzin und Diesel verteuerten sich spürbar. Dieser Preisexplosion begneten die Autofahrer indem sie Autofahrten reduzierten, vermehrt öffentliche Verkehrsmittel nutzten und bei der Anschaffung von Neuwagen eher auf kleinere Modelle zurückgriffen. Bei der Berechnung des Verbraucherpreisindexes wurde aber weiterhin von der gleichen Verbrauchsmenge an Benzin und Diesel ausgegangen. Da sich während der betrachteten Periode die Preise für Kraftstoffe im Schnitt verdreifacht hatten, ging diese Preisteigerung vollständig in die Kalkulation des Indexes ein. Durch die Überschätzung des Verbrauchs war die ausgewiesene Inflationsrate also wesentlich zu hoch.

Nicht berücksichtigte Qualitätsverbesserungen

Neben dem Indexzahlproblem bildet der Verbraucherpreisindex unter Umständen mögliche Qualitätsverbesserungen bei Waren und Dienstleistungen nicht angemessen ab. Zum Beispiel kommt es durch die zunehmende Verbreitung von Energiesparlampen zu Einsparungen beim Stromverbrauch. Diese qualitative Verbesserung wird beim Preis für Glühbirnen kurzfristig nicht berücksichtigt. Gleiches gilt für Innovationen die bestehende Güter fast vollständig vom Markt verdrängten. Dazu zählten beispielsweise die CD oder die Verbreitung günstiger Flugreisen. Schallplatten oder Reisen mit der Bahn oder dem Auto verloren an Bedeutung. Ein weiterer Bereich in denen Qualitätssteigerungen kaum Eingang in den Verbraucherpreisindex finden ist die medizinische Versorgung. In vielen Fällen werden Operationen durch neu entwickelte Medikamente obsolet. Dadurch ergeben sich Kosteneinsparungen und somit auch nicht erfasste Preisrückgänge.

Bedeutung der gemessenen Inflationsrate

Weicht die offizielle Inflationsrate stark von der Tatsächlichen ab, hat dies auf die Volkswirtschaft und die Gesellschaft erhebliche Auswirkungen. Im Falle einer um einen bestimmten Prozentsatz als zu hoch angenommenen Teuerungsrate wird die jährliche Produktionsleistung genau um diesen Prozentsatz als zu niedrig ausgewiesen. Die offiziellen Stellen gehen ebenfalls von zu überhöhten Lebenshaltungskosten aus. Da diese als Basis für alle Formen öffentlicher Zuwendungen dienen, erhalten die Bezieher von Transferleistungen zu hohe Zahlungen. Auf der anderen Seite erhöht sich das Defizit auf bundes-, landes- und kommunaler Ebene und die Verschuldung der einzelnen Behörden nimmt stärker zu als es theoretisch nötig wäre. Beispielsweise führt eine zu hoch gemessene Inflationsrate zu überhöhten Hartz-IV- und Bafög-Regelsätzen. Auch bei den Regelungen zwischen den Unternehmern und Arbeitnehmern profitieren Letztere wahrscheinlich von hohen Tarifabschlüssen, die die Kosten der Unternehmen erhöhen und somit deren Wettbewerbsfähigkeit verringern.

Auf der anderen Seite hat eine als zu niedrig ausgewiesene Inflationsrate negative Folgen für Teile der Gesellschaft. Besonders sozial schwache Gruppen erhalten in diesem Fälle für den Lebensunterhalt eine zu geringe finanzielle Unterstützung und werden bei der Umverteilung benachteiligt. Der Staat profitiert also von einer nach außen hin als zu niedrig angegebenen Inflationsrate, da dieser tendenziell weniger an Unterstützungsleistungen ausgeben muss. Weiterhin besteht die Möglichkeit einer geräuschlosen Entschuldung, da der reale Wert der angehäuften Staatsschulden bei einer erhöhten Inflation sinkt. Bedingung dafür ist natürlich, dass alle anderen Marktteilnehmer zeitverzögert die reale Preissteigerungsrate wahrnehmen. Im Zusammenspiel zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern zählen eher die Arbeitgeber zu den Gewinnern, da die Forderung der Arbeitnehmerseite einer die Inflation ausgleichenden Gehaltserhöhung weniger überzeugend ausfällt.

Da das Statistische Bundesamt eine deutsche Bundesbehörde ist und vom Bundesministerium des Inneren beaufsichtigt wird, werden zuallererst die Interessen des Staates verfolgt. Aufgrund der oben angeführten Gründe und der relativ hohen Intransparenz wird die mit Hilfe des Verbraucherpreisindexes gemessene Inflationsrate tendenziell als zu hoch ausgewiesen.

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